"Die Paranoia ist eine Krankheit der Macht", hat Elias Canetti geschrieben. Auf die Gesellschaft übertragen, meint Paranoia auch einen Zustand allgemeinen Misstrauens. Sie ist Ausdruck des Lebens in einem permanenten Ausnahmezustand, in dem Menschen ständig Entscheidungen fällen sollen, die zu treffen sie nicht in der Lage sind. Den „ganz normalen Wahnsinn“ von Sicherheitsgesellschaften hat die Corona-Pandemie besonders grell zum Vorschein gebracht, schildert die Kulturanthropologin Katharina Eisch-Angus: „Wie weiß ich, ob die Gefahr von innen oder von außen kommt, aus meinem sozialen Umfeld oder aus meinem eigenen Körper? Wie kann ich Sicherheitsregeln und Kontrollmaßnahmen vertrauen, die sich ständig verändern? Welche Unsicherheiten rücken in den Fokus der Öffentlichkeit und mit welchen werde ich allein gelassen?“
Mit diesen Fragen beschäftigen sich Studierende des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Graz in einem Projekt, aus dem der Film „Meine Paranoia ist nicht unbegründet“ entstanden ist. Er feierte gestern, am 17. Juni 2021, im Grazer Lesliehof Premiere, als Auftakt des dortigen Sommerkinos. Eineinhalb Jahre lang wurde die öffentliche Präsentation immer wieder – lockdownbedingt- verschoben. Dafür erfährt das Thema (Un)Sicherheit durch die Pandemie neue Dimensionen, die die Studierenden in einem Blog dokumentiert haben: https://ethnografiezursicherheit.wordpress.com/
In der stimmungsvollen Altstadtatmosphäre lasen die Studierenden Ulrike Lang, Andreas Hollerer, Stefanie Jamnig, Desiree Nischt und Anna Monsberger ihre Essays. Nach dem Film wurden rege Diskussionen über gesellschaftliche (Un)Sicherheiten geführt. Einige waren sich die Beteiligten in einer Sache: Nichts ist ansteckender als die Angst. Und das galt auch schon vor Corona.