Studienprojekte
Im Zentrum des viersemestrigen Masterstudiums Europäische Ethnologie steht ein zweisemestriges Studienprojekt. In einem gemeinsamen Forschungsprozess werden individuelle Themen erschlossen, die in Publikationen, Ausstellungen, Filmen, Websites o.ä. umgesetzt werden. Die Studierenden eigenen sich ihr Wissen zu ethnographisch-kulturwissenschaftlicher Methodik, zu Interpretation, Reflexion und Theorie im „Learning by Doing“ an. Dabei erwerben sie über die Ideen- und Projektentwicklung bis hin zu ihrer Umsetzung und die öffentliche Vermittlung ihrer Forschung wichtige Berufsqualifikationen. Ein institutsübergreifendes Jahresthema greift das Studienprojekt auf und ergänzt es durch eine öffentliche Votragsreihe und weitere Lehrveranstaltungen.
Körper – Praxis – Technik(en). Kritisch-ethnographische Erkundungen zwischen Handwerk und industrieller Produktion
MA-Studienprojekt 2024 unter der Leitung von Lydia Maria Arantes
Die Frage nach der Produktion von Authentizität sowie insbesondere die Romantisierung von Handwerk spielt im gegenwärtigen Warenkapitalismus eine große Rolle (Illouz 2017). Dem gegenüber erfahren das massengefertigte Produkt sowie die industrielle Arbeit eine abwertende Haltung. Beiden – im Diskurs als dichotomisch verhandelten – Produktionsmodi ist jedoch gemein, dass sie auf Technik/en zurückgreifen, was jedoch durch die Idealisierung von Handwerk im Verborgenen bleibt.
In diesem Projekt widmen wir uns dem diskursiven Spannungsfeld, das sich zwischen Handwerk und Industrie aufspannt, mithilfe ethnographischer Forschungsmethoden. Der Fokus auf Körper, Praxis und Technik soll uns einen ideologiekritischen Blick auf die alltägliche Aneignung ermöglichen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Holzarbeit, Brotherstellung und Pflegearbeit.
Theoretisch wie praktisch begleitet wird das Projekt von Ludovic Coupaye (University College London) sowie vom Zeichner Jörg Vogeltanz. Mittels Gestaltung von Comics möchten wir die Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen sowie kritisch-reflexives Interesse an dieser Thematik und Neugierde an unserem Fach schüren.
Vergangene Studienprojekte
Die Rösselmühle - Gedächtnis und Zukunft der Grazer Arbeiter:innen-Vorstadt
Masterstudienprojekt 2023/2024
Leitung: Katharina Eisch-Angus, Helmut Groschwitz, Erika Thümmel
Ab März 2023 forschten Studierende den Erinnerungen, Erfahrungen und Erzählungen rund um den imposanten Bau der Rösselmühle im Stadtteil Gries nach. Sie sprachen mit ehemaligen Mühlenbeschäftigten ebenso wie mit Anwohner:innen. Sie folgten den Spuren der Mühle in die Vergangenheit ebenso wie den Wegen von Mehl und Brot, und erkundeten in Erzählspaziergängen und Veranstaltungen das industrielle Bauerbe entlang des Mühlgangs.
Zugleich begleiteten sie städtische Diskurse um Erhalt und Revitalisierung der Rösselmühle als Nachbarschaftszentrum und Ort der Begegnung, aber auch den Prozess ihrer Zerstörung.
Rund um die Rösselmühle entfaltet sich ein lebendiges Gewebe von Arbeit, Handwerk und Industrie, von Gemeinschaft, kultureller Diversität und Macht.
Ergebnis war die Ausstellung MEHL GRIES BETON – die Rösselmühle im Gespräch. Beginnend am Griesplatz wanderte die Ausstellung zwischen 1. Februar und Mitte März durch den öffentlichen Raum von Graz. Auf weiteren Standorten im Volkskundemuseum, bei der Universitätsbibliothek und am Jakominiplatz nahm sie Gespräche und Erzählungen rund um die Rösselmühle auf und führte sie im Dialog mit den Ausstellungsbesucher:innen weiter.
Zur Ausstellung erschien eine Textbroschüre zur Ausstellung, die kostenfrei angefordert werden kann unter: kulturanthropologie@uni-graz.at
Die Gruppe engagiert sich weiter für eine respektvolle Stadtentwicklung mit dem öffentlichen Appell „MEHL GRIES BETON – rettet die Rösselmühle“, online unter dem hinterlegten Link.
Wir Erdbewohner!nnen (Menschenbilder, Solidarität und Konflikte im urbanen Anthropozän)
Masterstudienprojekt 2022/2023
Unter der Leitung von Assoz.-Prof. Dr. Judith Laister
und Maximilian Lakitsch
In Kooperation mit < rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst
Begleitlehrveranstaltung: Barbara Grabher und Daniela Brasil
Weitere Informationen zum Studienprojekt
Im Rahmen des Jahresthemas „ANTHROPOZÄNE GEFÜGE“.
Technik im Alltag
Masterstudienprojekt 2021/2022
Leitung: Burkhard Pöttler, Johannes Müske (Freiburg) und Marion Hamm (Klagenfurt)
Eingebettet war das Projekt in das Jahresthema „null & eins: Soziokulturelle Prozesse der Digitalisierung“ mit Vorträgen von Martina Heßler (Darmstadt), Christiane Berth (Graz), Ina Dietzsch (Marburg), Ruth Eggel (Bonn) und Anne Dippel (Jena).
Projekt und Vortragsreihe waren durch die Covid-19-Pandemie geprägt, da nicht nur Interviews, sondern auch Teile der Lehrveranstaltung und einige Vorträge nur online möglich waren.
Die von den Projektteilnehmer:innen gewählten Themen reichen von der Entwicklung der Haushaltstechnik, der Rolle der Kamera im ethnografischen Film oder dem Wandel der Personenstandserfassung über die Ambivalenzen von Weckern und Smart-Home-Technologie bis zum Ausgleich körperlicher Einschränkungen durch technische Hilfsmittel. Besonders von der Covid-19-Pandemie geprägt sind die Beiträge zu Online-Protestformen, zum Homeoffice oder zu Veränderungen der Kommunikationsweisen durch technische Hilfsmittel.
Arbeitskulturen: Kritische ethnografische Studien und Reportagen
Masterstudienprojekt 2020/2021
Leitung: Johann Verhovsek, Walther Moser, Leo Kühberger, Klaus Schönberger,
Im Mittelpunkt des zweisemestrigen Projektes standen Formen der Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeits- und Lebensweisen unter postfordistischen, neoliberalen Bedingungen. Auf der Grundlage ethnografischer Studien und mit Fokus auf den Blickwinkel der Akteure sollten in unterschiedlichen Arbeitsfeldern dazu Daten für eine Interpretation aktueller Entwicklungen gewonnen werden. Aufgrund des Ausbruches der Coronapandemie verbunden mit umfassenden Lockdowns und strengsten Kontaktbeschränkungen war es aber im Sommersemester nicht möglich, Feldforschungen zu betreiben. Auch das TeilnehmerInnenfeld war sehr begrenzt. Daher konzentrierte sich der erste Teil des Projektes auf die eingehende Auseinandersetzung mit interdisziplinärer Forschungsliteratur zum Themenfeld von Sennett (Der flexible Mensch), Boltanski/Chiapello (Der neue Geist des Kapitalismus), Bourdieu (Prekarität ist überall), Katschnig-Fasch (Das alltägliche Elend), Götz (Arbeitsethnografische Fallstudien) u.a.m.. Nur vereinzelt konnten auch Online-Interviews geführt werden. Daraus folgten erste empirische Vorstudien zur Entwicklung kontextabhängiger Fragestellungen.
Im Sommer 2020 öffnete sich für kurze Zeit ein Fenster in den Pandemie-Einschränkungen. In Gesprächen und Interviews mit Akteuren und vereinzelten Beobachtungen von Arbeitsvorgängen gelang es dann doch noch ethnographische Daten zu gewinnen, die auf ihre Auswirkungen auf die Lebenswelten der Akteure hin analysiert wurden. Aus diesen „Ethnographien der Nähe“ (Götz) wurden im zweiten Projektsemester kritische Reportagen konzipiert, die mit der Unterstützung von Walther Moser (einem engagierten Radiojournalisten von Radio Helsinki Graz) in drei sehr hörenswerte, ca. 30-minütige Radiosendungen gegossen werden konnten. Das Projekt kann insofern als sehr gelungen betrachtet werden, weil aus allen drei in den Radiosendungen behandelten Themenfelder letztendlich sehr gelungene Masterarbeiten hervorgegangen sind.
Laura Bäumel: Der „normale Alltag“ von Müttern. Herausforderungen zwischen Erwerbsarbeit und Hausarbeit. Online abrufbar: https://cba.media/497806
Marie-Christin Sebl-Litzlbauer: Der Körper als Ware im Verkauf. Online abrufbar: https://cba.media/506839
Carles Garcia-Vive Lopez: Migration – Arbeit – Selbstständigkeit. Online abrufbar: https://cba.media/497827